DIE MÄRCHENSIEDLUNG IN KÖLN

100 Jahre Märchensiedlung Köln


1700 Jahre jüdisches Leben
in Deutschland & in Köln ...
und ein vergessener jüdischer Architekt

Manfred Manuel Faber

Architekt der Märchensiedlung
in Köln-Holweide und -Dellbrück
Unterschrift des Architekten Manfred Manuel Faber

Kurze Geschichte der Märchensiedlung

Die GAG (Gemeinnützige Aktiengesellschaft für Wohnungsbau) erstellte 1920 einen Bebauungsplan für die „Siedlung Iddelsfeld“ rechts und links der damaligen Kleinbahnlinie (heute Straßenbahn-Linien 3 und 18). Sie wurde jedoch nur links der Bahn als spätere „Märchensiedlung“ verwirklicht. Den Auftrag erhielt der jüdische Architekt / Diplom-Inge­nieur Manfred Faber.

Auf dieser Grundlage entwarf Faber die großzügige, dennoch dörflich-kleinstädtische Struktur der Siedlung. (Bauzeit 1920/21–1928/29)

Es war Fabers erster Auftrag in Köln. Später entwarf er weitere renommierte Bauten, u. a. die Naumannsiedlung in Köln-Riehl, die seine Handschrift als leitender Architekt trägt. Die GAG als Eigentümerin hat diese mittlerweile hervorragend restauriert und im Oktober 2021 dort eine Gedenktafel angebracht. Eine Gruppe engagierter Menschen initiierte die Erinnerung an ihn und hat eine ­umfangreiche Dokumentation verfasst (siehe https://architekt-faber.eu).

Manfred Faber,

geboren am 26. Oktober 1879 in Karlsruhe, seit 1914 wohnhaft in Köln, während des Dritten Reichs in der Ausübung seines Berufes gehindert, zwangseingewiesen in das Kölner „Ghetto-­Haus“, am 27. Juli 1942 über das Messelager in Deutz nach Theresienstadt deportiert und am 16. Mai 1944 in Auschwitz ermordet.

Die Märchensiedlung
in Köln-Holweide und -Dellbrück
(1938)
Reihenhäuser mit Vorgärten im Ländlichen Stil

Foto 1: Blick in die Märchenstraße von der Kreuzung Andersenstraße aus (20er-Jahre)

Reihenhäuser mit Vorgärten im internationalen Stil

Foto 2: Blick auf die gegenüberliegende Seite der Märchenstraße mit der Kreuzung zum Aschenbrödelweg hin (30er-Jahre)

Wohnen wie im Märchen

Die ersten Häuser der Märchensiedlung wurden vermutlich 1921 in der Neufelder Straße 3 bis 17, am Bahnübergang gegenüber der Grundschule, bezogen.

Der größte Teil der „alten“ Siedlung ist im „Heimatstil städtischer Prägung“ gestaltet (Foto links). Die zuletzt, 1928/29, gebaute Häuserreihe der Märchenstraße 2 bis 72 wurde von Faber im Sinne des „Neuen Bauens“, einem „Internationalen Stil“, entworfen (Foto rechts).

Vorbild zur Ausführung der Siedlung war die aus ­England stammende Idee der „Gartenstadtsiedlung“ für die Arbeiterschaft mit Möglichkeit zur Kleintierhaltung und Selbstversorgung. Die Märchensiedlung wurde bewusst für eine mittlere und höhere Einkommensschicht geplant, der die GAG durch Mietkauf ab 1927 die Möglichkeit zum Eigenerwerb gab. Faber entwarf „Typenhäuser“, die er durch geschickte Versatzbauweise und Kombination so anordnete, dass nichts monoton wirkt und ein romantisches Erscheinungsbild entstand („Wohnen wie im Märchen“).

Östlich der Märchenstraße entstanden in den 30er-Jahren weitere zur Siedlung gehörende Häuser (Aschenbrödelweg, Froschkönigweg u. a.) anfangs als sogenannte „Selbsthilfebauten“. Weitere Einfamilienhäuser kamen später hinzu.

Zurückgesetztes zweistöckiges Haus mit Anbau
Lage der Riphahnvilla

Riphahn-Villa, Rapunzelgässchen 2 (2021)

Die Besonderheit in der Märchensiedlung: Drei Häuser des Architekten Wilhelm Riphahn

Der ehemalige GAG-Direktor Friedrich Schmidt beauftragte den renommierten Architekten Wilhelm Riphahn mit der Planung einer eigenen Villa innerhalb der Siedlung (genannt „das Schlösschen“), gelegen im Rapunzelgässchen 2 (Bezug 1921). Für diese Stadtvilla entwarf er sogar die Möbel. Auch das gegenüberliegende Doppelhaus Nr. 1–3 stammt aus seiner Hand.

In der Öffentlichkeit hielt sich lange die Meinung, die gesamte Siedlung sei von Riphahn und Faber gemeinsam geschaffen worden. Dies ist nachgewiesenermaßen nicht der Fall. Der Baustil des Ensembles im Rapunzelgässchen unterscheidet sich gänzlich vom Stil der restlichen Siedlung, die Fabers Handschrift trägt.

Manfred Faber ein Gesicht geben

Eine Ehrung erfuhren Manfred Faber sowie fünfzig weitere jüdische Architekten, die das Stadtbild Kölns geprägt ­haben, im Rahmen der Ausstellung „Köln und seine jüdischen Architekten“ vom 27. Mai bis 5. September 2010 im EL-DE Haus. Im gleichnamigen Buch des kürzlich verstorbenen Autors Wolfram Hagspiel fällt auf, dass kein Foto von Faber abgedruckt ist.

Es stellte sich heraus und macht betroffen, dass in sämtlichen Archiven Kölns kein Foto Manfred Fabers erhalten ist.

Das Stadtarchiv in Grevenbroich, wo er 1916/17 sein erstes großes Projekt als Architekt, die Erftwerke mit 900 Werkswohnungen, konzipierte, hat uns ein Foto zur Verfügung gestellt, das wahrscheinlich Manfred Faber vor einem der Werkshäuser zeigt.

In Köln trägt lediglich eine Straße in einem Neubau­gebiet in Porz-Elsdorf, ohne jeglichen Bezug zu ­seinem Werk, seinen Namen. Und das, obwohl er in den Jahren der Weimarer Republik zur Avantgarde der Kölner Architektenszene gehörte und neben Wilhelm Riphahn und Caspar Maria Grod einer der wichtigsten Architekten der GAG war.

Freihstehendes Werkswohnhaus der Erftwerke kurz nach Fertigstellung um 1919

Vermutlich Manfred Faber vor einem Werkswohnhaus in Grevenbroich (1919)

Würdigung des Architekten der Märchensiedlung

Zum 100. Geburtstag der Märchensiedlung und im Rahmen der Feierlichkeiten zu 1700 Jahre jüdischen Lebens in Deutschland und in Köln haben wir dieses Erinnerungsprojekt zu Manfred Faber, den Architekten der Märchen­siedlung, ins Leben gerufen.

Für die AnwohnerInnen-Gruppe:

  • Erika und Otmar Baumberger (Pfr.i.R.),
    Märchenstraße 57, 51067 Köln
  • Brigitte Seifer-Rüttgen und Wolfgang Rüttgen,
    Märchenstraße 33, 51067 Köln

Mensch Faber

Der Dellbrücker Liedermacher Peter Mehlfeld mit Gitarre
Der Dellbrücker Liedermacher Peter Mehlfeld hat ein Lied über Manfred Faber und die Märchensiedlung geschrieben. Zum Video auf Youtube.

Der Rotkäppchenweg mit kleinen Rheihenhäusern und Vorgärten nach Fertigstellung

Blick von der Andersenstraße in den Rotkäppchenweg – früher (um 1930) ...

Der Rotkäppchenweg mit kleinen Rheihenhäusern und Vorgärten heute

… und heute (2021)